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Statistik

Mittel für Manipulation

Auszug aus P.M.6/2002

Statistiken sind wichtig: Sie geben Entscheidungshilfen in Politik und Wirtschaft. Das ist die gute Seite. Aber es gibt auch eine schlechte:
Mit statistischen Wahrheiten lässt es sich vortrefflich lügen.

Ein Hase auf dem Feld. Plötzlich fallen zwei Schüsse. Einer geht links am Hasen vorbei, der andere rechts. Der Hase fällt tot um. Nicht die Kugeln haben ihn erwischt, sondern der "Mittelwert". Denn wenn man einmal links und einmal rechts am Hasen vorbeischießt, ist der Hase in der Mitte statistisch tot.

Was lehrt uns dieses Beispiel?
Dass der Unterschied zwischen Statistik und Realität über Leben und Tod entscheiden kann.

Wenn von zehn Patienten, die an derselben Krankheit leiden, einer stirbt, geht der Arzt ja auch nicht durchs Wartezimmer, zählt neun ab, und der zehnte bricht tot zusammen.

Die Tatsache allein, dass eine Zahl vom Statistischen Bundesamt kommt, ist zwar nicht unweigerlich der Beweis für ihre Unrichtigkeit. Aber das ist gerade das Gefährliche an Statistiken. Die Zahlen sind absolut zutreffend, und trotzdem sagen sie nicht die Wahrheit.

Da ist zum Beispiel die Geschichte mit den Mittelwerten. Statistiken lieben Mittelwerte, weil sie unendlich viele Zahlen zu einem griffigen Wert zusammenfassen: das Durchschnittseinkommen, die durchschnittliche Lebenserwartung, der Wochendurchschnitt beim Zigarettenkonsum, der Monatsdurchschnitt beim Sex, der Jahresdurchschnitt bei Verkehrsunfällen. Eine feine Sache!

Denkste! Mit Durchschnittswerten ist das so:
Wenn man sein rechtes Bein in kochendes Wasser stellt und sein linkes in Eis, steht man statistisch gesehen in warmem Wasser, im richtigen Leben ist man ein Fall fürs Krankenhaus. Der uns geläufige Mittelwert wird gebildet, indem man alle Einzelwerte addiert und dann durch ihre Anzahl teilt. Das nennt man arithmetische Mittel. Dank seiner gibt es so viele unvollständige Kinder, denn durch die Division kommt man im Schnitt auf 1,4 Kinder pro Familie.

In einem Betrieb mit sechs Personen verdienen drei 2.000 Euro im Monat und drei 4.000 Euro. Im arithmetischen Mittel sind das 3.000 Euro für jeden. Aber was ist, wenn von den sechs Mitarbeitern einer 13.000 Euro verdient und jeder andere schlappe 1.000 Euro? Oder einer kriegt 18.000 Euro und die anderen gar nichts? Auch dann behauptet die Statistik, dass jeder Mitarbeiter anständige 3.000 €  bekommt. Eine solche Statistik ist also rechnerisch wahr, und trotzdem gibt sie die Realität nicht wieder. Das liegt daran, dass diese Art von Durchschnittswert nicht beachtet, wie die einzelnen Zahlen um den Mittelwert herum gestreut liegen. Ob alle in etwa gleich weit vom Durchschnitt entfernt sind oder ob eine krass nach oben ausreißt und alle anderen ganz unten liegen - das interessiert das arithmetische Mittel nicht die Bohne.
Die Folge: Je größer die Ausreißer nach oben, desto mehr wird das durchschnittliche Mittel geschönt. Denn die großen Zahlen haben im arithmetischen Mittel natürlich ein extrem starkes Gewicht.
(=gut für Arbeitgeberverbände!)

Eine andere Möglichkeit, Mittelwerte zu bestimmen, ist der so genannte Median.
Dabei muss man nicht einmal rechnen: Man schreibt einfach alle Zahlen in aufsteigender Größe nebeneinander und schaut, welche in der Mitte steht. Wenn man drei Kindern fünf, sechs und sieben Euro Taschengeld gibt, sieht die Reihe so aus: 5-6-7. Die 6 steht in der Mitte, also kriegt jedes Kind im Schnitt 6 Euro. Der Vorteil des Medians: Ausreißer fallen nicht so ins Gewicht. Bekommt z.B. ein Kind statt sieben 70 Euro, sieht die Reihe so aus: 5-6-70; die mittlere Zahl, also der Median ist weiterhin die Sechs.
(=gut für Arbeitnehmerverbände!) Das arithmetische Mittel (81:3) läge jetzt schon bei 27 Euro!

So lässt sich mit Zahlen vortrefflich Politik machen.
Zuweilen kann das beängstigende Ausmaße annehmen, z.B. wenn es um "Ausländerkriminalität" geht. Jahr für Jahr, sagt die Statistik, dass Ausländer, gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung, einen überproportional hohen Prozentsatz der verurteilten Straftäter stellen. Die Zahl stimmt - die Realität ist dennoch anders. Denn mitgerechnet werden bei den Ausländern auch Touristen, Durchreisende, illegal Eingewanderte, Nato-Soldaten und Personen, die nur eingereist sind, um Straftaten zu begehen. Ein weiterer verfälschender Faktor bei dieser Rechnung: Mitgezählt werden auch die Straftaten, die überhaupt nur von Ausländern begangen werden können: Verstöße gegen das Ausländergesetz und Asylverfahrensgesetz.

Außerdem unterschlägt die Rechnung, dass es nach Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen einen Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Straffälligkeit gibt. Diebstahl und Raub z.B. werden überwiegend von arbeitslosen männlichen Jugendlichen in Großstädten begangen - die sind aber unter den Ausländern überproportional vertreten, sodass der Vergleich zwischen deutschen und ausländischen Straftätern hinkt.

Kann Statistik Betrug sein?
Sie kann, wenn sie von der Parallelität zweier Tatbestände (Korrelation) auf eine Kausalität zwischen beiden (die eine Größe steuert die andere) schließt. Bekanntes Beispiel: Klapperstörche und Geburtenrate.
Nehmen wir mal an, in Schweden ist die Geburtenrate besonders hoch, ebenso die Zahl der Störche: in einem Vergleichsort wie Berlin ist die Geburtenrate sehr niedrig, und es gibt wenig Störche: Daraus könnte man schließen, dass die Störche die Kinder zur Welt bringen. Tatsächlich gibt es hier und da eine gleichzeitige Zunahme von Storchen- und Kinderzahl - aber beide Tatbestände hängen nicht ursächlich miteinander zusammen, sondern sind jeder für sich die Folge einer dritten Größe: In Schweden ist es besonders ländlich. Störche haben auf dem Land größere Überlebenschancen, und Menschen kommen hier auf eine höhere Geburtenrate als in Großstädten.

Noch einige Beispiele zur Klapperstorch-Logik:
Männer mit wenig Kopfhaar verdienen mehr Geld.
Männer mit Haarschwund sind meist älter und verdienen deshalb mehr.
Linkshänder sterben im Schnitt 9 Jahre früher als Rechtshänder.
Wahrheit: Unter den alten Menschen gibt es kaum noch Linkshänder, weil sie sich an die rechtshändig orientierte Gesellschaft angepasst haben - diese Gruppe wurde einfach nicht mehr registriert.
Es sterben mehr Menschen in Krankenhäusern als zu Hause.
Wahrheit: Nicht weil sie ins Krankenhaus gehen sterben sie, sondern weil sie krank sind gehen sie ins Krankenhaus. Und an Krankheiten können sie auch sterben.
Da könnte man sich ebenso weigern, jemals wieder ins Bett zu gehen, denn: Die meisten Menschen sterben im Bett.
Wahrheit: Kranke und gebrechliche Menschen liegen häufig im Bett, wo sie natürlich auch sterben können.
Es ist sicherer, im Central Park (New York) zu übernachten, als in der eigenen Wohnung.
Wahrheit: In der eigenen Wohnung hält man sich viel häufiger auf, als in einem Park. Jemand, der niemals außerhalb seiner eigenen vier Wände übernachtet, kann nur dort überfallen werden. Und: wie viele Leute übernachten schon im Central Park?
Ein Butterbrot, das vom Tisch fällt, fällt immer auf die bestrichene Seite.
Wahrheit: Wären unsere Tische doppelt so hoch, könnte sich das Brot auf dem Weg nach unten 2 x drehen - und würde auf der Unterseite landen.

Am kritischsten sollte man Statistiken begegnen, die auf Umfragen beruhen.
Wer am Flughafen fragt: "Wie viel verdienen Sie im Monat?", darf die Antworten nicht als repräsentativ für die ganze Bevölkerung ausgeben, weil überdurchschnittlich viele Gutverdienende mit dem Flugzeug reisen. Die amerikanische Militärregierung ließ nach dem Krieg in Deutschland den Ernährungszustand der Deutschen ermitteln und stellte dafür Waagen an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen auf. Ausschließlich gesunde Menschen gerieten in die Stichprobe, hungernde Bettlägerige nicht.

Auch die Fragetechnik kann Statistiken verfälschen.
Fragte man Firmenchefs, ob sie etwas dagegen hätten, wenn ihre Angestellten beim Arbeiten essen, würden sie wohl mit Ja antworten. Fragte man sie, ob sie etwas dagegen hätten, wenn ihre Angestellten beim Essen arbeiten, würden sie eher mit Nein antworten. Eine Umfrage über "Abtreibung" fällt anders aus als eine zum Thema "Schutz des ungeborenen Lebens".

Bei anderen Umfragen kann man nicht von vornherein mit ehrlichen Antworten rechnen:

Die amerikanische Randomized Response-Technik gewährleistet hier mehr Realitätsnähe, denn sie ermöglicht Antworten ohne Gesichtsverlust. Der Befragte zieht Fragen aus einem Stapel und antwortet mit Ja oder Nein - aber der Interviewer weiß nicht, auf welche Fragen sich die Antworten beziehen. Die Karten kommen in der Reihenfolge, in der die Fragen beantwortet wurden, auf einen Stapel; der Interviewer notiert die Ja- und Nein-Antworten ebenfalls chronologisch - hinterher führt man Fragen und Antworten anonym wieder zusammen.
In Amerika hatten 3,5 % der befragten Eltern z.B. zugegeben, dass sie ihre Kinder schlagen; mit der Randomized-Response-Technik kam plötzlich ein Wert von 15 Prozent heraus!

Unscharf wird jede Statistik, wenn sie mit schwammigen Begriffen hantiert,
wie etwa: "Ist Fliegen sicher?"  Was ist mit "sicher" gemeint? Statistisch gesehen ist Fliegen sicherer als Autofahren, hört man immer: Auf eine Milliarde Passagierkilometer kommen im Flugverkehr nur 0,3 Tote, beim Autofahren sind es vier. Legt man in der Statistik aber nicht die zurückgelegten Kilometer zu Grunde, sondern die Anzahl der Reisen, sieht das Bild ganz anders aus: Auf eine Milliarde Flüge kommen 55 Tote, auf eine Milliarde Autofahrten 45. Deshalb muss man sich bei Statistiken zum Thema Sicherheit stets vergegenwärtigen, ob eine Fluglinie sie aufgestellt hat oder ein Autoverband.

Unklarheit darüber, worauf sich ein Zahlenwerk genau bezieht, war jüngst auch die Ursache für die hitzige Diskussion um die Arbeitslosenstatistik:
Es ist halt Definitionssache, wen man als "arbeitslos" mitzählt, und wen nicht.
Würde man z.B. alle arbeitswilligen Menschen über 65 Jahre einbeziehen, schössen die Arbeitslosenzahlen in gigantische Höhen.

Erstaunlicherweise scheint es aber auch Zahlenverkäufer zu geben, die nicht an ihre eigenen Zahlen glauben. In den USA warb ein Energieversorger damit, dass seine neuen Glühlampen 200 Prozent Energie einsparen. Wörtlich genommen würde das bedeuten: Die Lampe kommt nicht nur ohne Energie aus - sie liefert auch noch weitere 100 Prozent Energie! Ein Kunde, der rechnen konnte, rief daraufhin bei dem Unternehmen an und wollte seine Kontonummer durchgeben, weil er mit der neuen Birne ja Energie ins Netz einspeise. Die Antwort: "Wir zahlen nichts!" Hier hatte wohl jemand der eigenen Statistik misstraut - er wird gewusst haben, warum!

Internet-Adressen:

Statistik-Links der Universität Köln:
www.uni-koeln.de/themen/Statistik

Statistisches Bundesamt:
www.destatis.de

Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung:
www.social-science-gesis.de/ZA/index.html